Die marktbeherrschende Stellung von Google Shopping – und ihr Missbrauch
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Geldbuße von 2,4 Mrd. Euro bestätigt, die von der EU-Kommission gegen Google und seine Muttergesellschaft wegen Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung durch Begünstigung des eigenen Preisvergleichsdiensts verhängt wurde.
2017 verhängte die Kommission eine Geldbuße von etwa 2,4 Mrd. Euro gegen Google, weil das Unternehmen seine beherrschende Stellung auf mehreren nationalen Märkten für Online-Suchdienste missbraucht habe, indem es den eigenen Preisvergleichsdienst gegenüber denjenigen der Wettbewerber begünstigt habe. Da das Gericht der Europäischen Union diesen Beschluss im Wesentlichen bestätigte, legten Google und Alphabet ein Rechtsmittel beim Gerichtshof ein. Dieser weist das Rechtsmittel zurück und bestätigt damit das Urteil des Gerichts.
Mit Beschluss vom 27. Juni 20171 stellte die Kommission in einem Verfahren nach Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens fest, dass Google in 13 Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) – namentlich Belgien, Tschechische Republik, Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Vereinigtes Königreich und Norwegen – auf seiner Seite für allgemeine Suchergebnisse die Ergebnisse seines eigenen Preisvergleichsdienstes gegenüber denjenigen konkurrierender Preisvergleichsdienste bevorzugt habe. Google präsentierte nämlich die Suchergebnisse seines Preisvergleichsdienstes an oberster Stelle und – mit attraktiven Bild- und Textinformationen versehen – hervorgehoben in „Boxen“. Die Suchergebnisse konkurrierender Preisvergleichsdienste erschienen dagegen nur an nachrangiger Stelle in Form blauer Links und konnten deshalb anders als die Ergebnisse des eigenen Preisvergleichsdienstes – von Ranking-Algorithmen auf den allgemeinen Suchergebnisseiten von Google herabgestuft werden.
Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass Google seine beherrschende Stellung auf den Märkten für allgemeine Online-Suchdienste und für spezielle Warensuchdienste missbraucht habe, und verhängte daher eine Geldbuße in Höhe von 2.424.495.000 €, für die Alphabet als Alleingesellschafterin von Google in Höhe von 523.518.000 € gesamtschuldnerisch haftet.
Google und Alphabet fochten den Beschluss der Kommission vor dem Gericht der Europäischen Union an. Mit Urteil vom 10. November 2021 wies das Unionsgericht die Klage im Wesentlichen ab und bestätigte insbesondere die Geldbuße2. Das Unionsgericht hielt es dagegen nicht für erwiesen, dass das Verhalten von Google auch nur potenzielle wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den Markt für allgemeine Suchdienste hatte. Daher erklärte es den Beschluss für insoweit für nichtig, als die Kommission darin auch in Bezug auf diesen Markt eine Zuwiderhandlung gegen das Verbot des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung festgestellt hatte.
Gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts der Europäischen Union kann beim Gerichtshof der Europäischen Union ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Unionsgerichtshof die Entscheidung des Unionsgerichts auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Unionsgerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Unionsgericht zurück, das an die Entscheidung des Unionsgerichtshofs über das Rechtsmittel gebunden ist.
Google und Alphabet haben dementsprechend ein Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Union eingelegt, mit dem sie beantragen, das Urteil des Unionsgerichts aufzuheben, soweit ihre Klage abgewiesen wurde, und den Kommissionsbeschluss für nichtig zu erklären. Mit seinem jetzt verkündeten Urteil wies der Unionsgerichtshof das Rechtsmittel zurück und bestätigte damit das Urteil des Unionsgerichts.
In seinem Urteil weist der Gerichtshof der Europäischen Union darauf hin, dass das Art. 102 AEUV nicht das Vorliegen einer beherrschenden Stellung selbst beanstandet, sondern nur deren missbräuchliche Ausnutzung. Konkret sind Verhaltensweisen von Unternehmen in beherrschender Stellung verboten, die den Leistungswettbewerb beschränken und somit geeignet sind, einzelnen Unternehmen und Verbrauchern zu schaden. Dazu gehören Verhaltensweisen, die durch den Einsatz anderer Mittel als denen eines Leistungswettbewerbs die Aufrechterhaltung oder die Entwicklung des Wettbewerbs auf einem Markt behindern, auf dem der Grad des Wettbewerbs gerade wegen der Anwesenheit eines oder mehrerer Unternehmen in beherrschender Stellung bereits geschwächt ist.
Zwar kann, so der Unionsgerichtshof, nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein beherrschendes Unternehmen, das seine eigenen Waren oder Dienstleistungen günstiger behandelt als diejenigen seiner Wettbewerber, unabhängig von den Umständen des Einzelfalls ein vom Leistungswettbewerb abweichendes Verhalten an den Tag legt. Im vorliegenden Fall hat das Unionsgericht jedoch zu Recht festgestellt, dass das Verhalten von Google in Anbetracht der Merkmale des Marktes und der spezifischen Umstände des Falles diskriminierend ist und nicht dem Leistungswettbewerb entspricht.
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 10. September 2024 – C -48/22 P
- EU-Kommission, Beschluss vom 27.06.2017 – C(2017) 4444 final [↩]
- EuG, Urteil vom 10.11.2021 – T-612/17 [↩]