Ehrverletzende Tweets

Ein Plattformbetreiber haftet für rechtsverletzende Inhalte von Nutzern der Plattform nur, wenn die Beanstandungen eines Betroffenen – die richtig oder falsch sein können – so konkret gefasst sind, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann.

Mit dieser Begründung hat jetzt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main eine Unterlassungsklage eines Twitter-Nutzers mangels hinreichend konkret erhobener Beanstandungen zurückgewiesen. Dieser meldete der Plattformbetreiberin mit Anwaltsschreiben eine Vielzahl von Tweets mit aus seiner Sicht rechtsverletzenden Inhalten und forderte zur Entfernung und Unterlassung auf. Die Plattformbetreiberin löschte im Ergebnis den Account eines Nutzers, der sechs der beanstandeten Tweets veröffentlicht hatte.

Das Landgericht hatte die Plattformbetreiberin auf den Antrag des Nutzers hin per einstweiliger Verfügung verpflichtet, es zu unterlassen, fünf näher benannte Äußerungen des Nutzers über den Nutzer zu verbreiten1. Auf die Berufung der Plattformbetreiberin wies das OLG den Unterlassungsantrag ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Plattformbetreiberin nach den höchstrichterlichen Grundsätzen zur Providerhaftung hier nicht in Anspruch genommen werden könne. Die Plattformbetreiberin stelle lediglich eine Plattform für Äußerungen Dritter zur Verfügung. Damit hafte sie als Provider für etwaige rechtsverletzende Inhalte erst nach Kenntniserlangung. Ein Betroffener müsse sie zunächst mit Beanstandungen konfrontieren, die so konkret gefasst sein müssten, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann. Erst dann treffe den Provider die Verpflichtung zur weiteren Ermittlung und Bewertung des angezeigten Sachverhalts.

Vorliegend habe das Anwaltsschreiben der Plattformbetreiberin keine hinreichende Kenntnis von den Tatsachen vermittelt, aus denen ihr eine Rechtsverletzung ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Prüfung erkennbar gewesen sei. Es sei ohne jegliche Begründung oder Sachverhaltsdarstellung allein von „rechtswidrigen Inhalten“ die Rede gewesen. Aus den beanstandeten Tweets allein sei nicht hervorgegangen, dass der Nutzer sich gegen die Verbreitung konstruierter Lebenssachverhalte wende, denen es an einer tatsächlichen Grundlage fehle bzw. gegen nicht erweislich wahre Tatsachen. Dies sei den Tweets auch nicht immanent und damit für die Plattformbetreiberin klar gewesen.

Dass die Plattformbetreiberin letztlich den gesamten Account des Nutzers gesperrt – und nicht nur die angezeigten Tweets gelöscht habe – zeige, dass für sie der Rechtsverstoß gerade nicht unschwer erkennbar gewesen sei.

Ohne Erfolg berufe sich der Nutzer auch darauf, dass das von der Plattformbetreiberin bereitgestellte Meldeformular kein Textfeld für weitere konkretisierende individuelle Angaben bereitstelle. Das Meldeformular entspreche den Vorgaben des NetzDG und bezwecke damit in erster Linie eine Kontrolle nach strafbaren Inhalten. Zudem wären nähere Angaben sowohl in der Spalte „Inhalt“ als auch im Rahmen eines Anhangs möglich gewesen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 13. Juni 2024 – 16 U 195/22

  1. LG Frankfurt a. M., Urteil vom 14.12.2022 – 2-03 O 325/22 []